Assessment und Workpark-Training
Einrichtung: Drei Burgen Klinik in Bad Kreuznach
Indikation: Orthopädie, Kardiologie
Zielgruppe: Rehabilitanden und Rehabilitandinnen mit besonderen beruflichen Problemlagen bei einer deutlichen Diskrepanz zwischen beruflicher Leistungsfähigkeit und den Arbeitsanforderungen im bisherigen Berufsfeld;
MBOR-Stufe B
Beteiligte Berufsgruppen: Ärztinnen und Ärzte, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, Psychologinnen und Psychologen, Ergotherapie, Physiotherapie, Sportlehrerinnen und -lehrer
Ausstattung: MBOR-Halle (403 m2) mit Workpark und Modellarbeitsplätzen
Kooperation: enger Kontakt zu Firmen im Umkreis, u. a. Opel, Schott, Thyssenkrupp
Ziele
Die primäre Zielstellung der MBOR besteht in der wesentlichen Besserung oder Wiederherstellung der erheblich gefährdeten oder bereits geminderten Erwerbsfähigkeit, um den Anforderungen am (alten oder angestrebten) Arbeitsplatz nachhaltig gerecht werden zu können. Dies geschieht durch die Verbesserung der personalen Ressourcen der Rehabilitandinnen und Rehabilitanden bzw. den Abbau von Barrieren im beruflichen Verhalten und Erleben.
Beschreibung
MBOR-Befund
Rehabilitandinnen und Rehabilitanden, die aufgrund ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatztraining teilnehmen, erhalten in den ersten Tagen ihrer Reha einen MBOR-Befund. Dieser dient als erweitertes Eingangsassessment, bei dem eine Testung der funktionellen Kapazität (FCE) durchgeführt wird. Dadurch werden die körperliche Leistungsfähigkeit und die gesundheitsrelevanten Arbeitsstile dokumentiert. Mit der Erhebung des MBOR-Befundes sind die speziell geschulten Ergo- und Physiotherapeuten beauftragt.
Bei diesem 30 minütigen persönlichen Einzeltermin erfolgt zunächst die berufsbezogene Motivationsförderung. Ziel ist es, die Bereitschaft zu fördern, berufsbezogene Fragestellungen aufzugreifen und sich mit den individuellen Bedingungen der eingeschränkten Gesundheit und deren Auswirkungen auf das Erwerbsleben auseinanderzusetzen. Durch einen Motivationsflyer erhält die Rehabilitandin/der Rehabilitand schriftliche Informationen, um auch Angehörige und Freunde einzubinden.
Im weiteren Verlauf des Einzeltermines wird eine ausführliche Berufsanamnese und eine genaue Beschreibung der beruflichen Tätigkeiten vorgenommen. Diese Arbeitsplatzbeschreibung dient der Erstellung eines Anforderungsprofils. Hilfreich sind an dieser Stelle mitgebrachte Dokumente vom Rehabilitanden über den letzten Arbeitsplatz und/oder Arbeitsplatzbeschreibungen aus dem Internet. Mit Einverständnis kann auch der direkte Kontakt zum Arbeitgeber oder dem zuständigen Werks- oder Betriebsarzt helfen die Anforderungsanalyse zu optimieren, da eventuelle Unklarheiten über die tatsächliche Arbeitsbelastung ausgeräumt werden können.
Im Anschluss erfolgt die Testung der funktionellen Kapazität (FCE): Die Erfassung der funktionellen Fähigkeiten („Functional Capacity Evaluation“, FCE) ist von besonderer Wichtigkeit für den Therapieprozess der medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation (MBOR). Hierbei handelt es sich um eine Zusammenstellung von Therapieelementen zur Simulation körperlicher Belastungen an Arbeitsplätzen. Die Klinik wendet das „Workpark“-Konzept an, das seitens des Therapiegeräteherstellers Nitzbon in Verbindung mit der Ergotherapie-Praxis Wolters & Sohns neu entwickelt wurde. Angelehnt an das System der Evaluation der funktionellen Leistungsfähigkeit (EFL) absolviert jeder MBOR-Teilnehmer den Testparcours im Workpark. Dies umfasst die Erhebung des Tätigkeitsprofils am Arbeitsplatz (TFP), des aktuellen Eingangsfähigkeitsprofils und gegen Ende des Abschlussfähigkeitsprofils. Die Workpark-Elemente sind gemäß Medizinproduktegesetz zertifiziert und lassen sich raumsparend zusammenstellen.
Im Rahmen des Eingangsfähigkeitsprofils werden nur die notwendigen Fähigkeiten für die letzte berufliche Tätigkeit bewertet.
Die Erhebung der funktionellen Kapazität durch das Eingangsfähigkeitsprofil (EFP) dient als Grundlage für die Ermittlung von funktionellen Defiziten in Bezug auf den Arbeitsplatz (Tätigkeitsprofil). Alle aus dem Tätigkeitsprofil relevanten Belastungsformen werden im Eingangsfähigkeitsprofil angekreuzt, praktisch abgeprüft und dokumentiert. Da nur die tätigkeitsrelevanten Belastungen geprüft werden, muss nicht für jeden einzelnen Rehabilitanden der komplette Parcours durchlaufen werden. Ausmaß und Größe des Problems werden in den Beurteilungskriterien gemäß ICF dargestellt. Berücksichtigt werden im Ergebnis zusätzlich Bewegungsausmaße, Kompensationsbewegungen sowie Einschränkungen. Durch den Profilvergleich von Anforderungsprofil und Eingangsfähigkeitsprofil werden sowohl Überforderungen als auch Unterforderungen identifiziert. Daraus können die jeweiligen funktionellen Behandlungsschwerpunkte und Behandlungsziele abgeleitet und ein arbeitsplatzbezogenes Trainingsprogramm im Workpark erstellt werden. Die Therapieziele sowie die individuellen Therapiepläne werden gemeinsam mit den Rehabilitanden besprochen und schriftlich vereinbart. Dieses gemeinsame Erarbeiten von beruflichen Lösungsstrategien ist von besonderer Wichtigkeit, denn nur so kann eine Compliance beim Workparktraining hergestellt werden.
Abschlussprofil
Das Abschlussfähigkeitsprofil (AFP) dient der Evaluation der tätigkeitsspezifischen Arbeitsanforderungen am Ende des Rehabilitationsaufenthalts. Es wird in der vorletzten Einheit des Arbeitsplatztrainings erhoben. Aus dem Vergleich mit dem Eingangsfähigkeitsprofil (EFP) kann die rehaspezifische Verbesserung der berufsbezogenen funktionellen Leistungsfähigkeit dargestellt werden. Der direkte Abgleich zwischen Tätigkeitsprofil und AFP zeigt den aktuellen Stand der arbeitsbezogenen Leistungsfähigkeit. Das AFP dient somit als interne Belastungserprobung. Im Ergebnis können tätigkeitsbezogene Defizite objektiv dargestellt werden und werden im Klinikinformationssystem dokumentiert. So haben alle am MBOR-Prozess Beteiligten Zugriff auf dieses Ergebnis. Durch den Schreibdienst wird dieser Abschlussbericht in den Entlassungsbrief eingefügt. Das Ergebnis fließt somit in die sozialmedizinische Beurteilung des Reha-Entlassungsberichts mit ein.
Training im Workpark
Zwischen der Eingangsprofilerstellung und der Abschlussprofilerstellung findet im Workpark-Parcours ein Training mit aufsteigendem Schwierigkeitsgrad statt. Dieser Parcours erlaubt das Training arbeitsrelevanter Belastungen, wobei sich die Auswahl der Trainingsinhalte an den konkreten Arbeitsanforderungen orientiert. Die Art der Übungen ist vergleichbar mit den EFL-Testaufgaben, wobei allerdings keine maximale, sondern eine arbeitsadäquate Belastung trainiert wird. Ziel ist eine Steigerung der funktionellen Leistungsfähigkeit im Rahmen des Rehabilitationsaufenthaltes im Hinblick auf die physischen Anforderungen des konkreten Arbeitsplatzes und dadurch das Erreichen von Arbeitsfähigkeit.
Ablauf:
Zu Beginn wärmt sich der Rehabilitand beim Tiefenstabilitätstraining auf. Hintergrund ist die Aktivierung der unbewussten Anspannung der tiefen autochtonen Muskulatur. Dieser Automatismus ist die physiologische Schutzspannung bei Belastung, um die Wirbelsäule zu schützen. Dies erzielt man mit Gleichgewichtstraining und reaktiven Bewegungsmustern. Deshalb üben die Rehabilitanden auf instabilen Unterflächen in Kombination mit stabilisierenden Gymnastikgeräten für die obere Extremität.
Anschließend trainiert er im Parcours, entsprechend seinem Workparkplan. Dieser wurde beim MBOR-Befund durch die Eingangsprofilerstellung festgelegt. In Kleingruppen von 3 Teilnehmern wird mindestens 6x pro Reha jeweils 60 min trainiert.
Während des Arbeitsplatztrainings werden regelmäßige Gespräche mit den Rehabilitanden geführt, in denen die individuellen Trainingspläne abgestimmt und die Ziele bzw. die Zielerreichung überprüft und ggf. modifiziert werden.
Zum Abschluss des Trainings wird der Rehabilitand zu Dehn- und Ausgleichsübungen der beanspruchten Muskulatur angeleitet. Diese Übungen sind vor allem als Eigenhilfe und Minipausen auf der Arbeit gedacht.
Stationen:
Es können an wechselnden Stationen folgende Belastungsformen abgebildet werden:
Schwerpunkt: Stehen
Schwerpunkt: Knien
Schwerpunkt: Hocken
Schwerpunkt: Gehen und Tragen
Schwerpunkt: Schieben und Ziehen
Schwerpunkt: Leiter steigen, auf der Leiter stehend arbeiten
Schwerpunkt: Arbeit im kleinen Greifraum
Schwerpunkt: Arbeit im großen Greifraum (körperfern bis über Kopf)
Schwerpunkt: Handkoordination
Schwerpunkt: Statische Haltearbeit
Schwerpunkt: Arbeiten mit Werkzeugen
Schwerpunkt: Stehen und Heben
Schwerpunkt: Werfen und Fangen
Schwerpunkt: Sitzende Tätigkeiten
Schwerpunkt: Auffassungsgabe und Konzentrationsfähigkeit
An einem Büro (PC)-Arbeitsplatz werden den Rehabilitanden im Gegensatz zu den körperlich beanspruchenden Stationen praktische Arbeitsaufgaben aus dem Büroalltag gestellt. Beispielhaft seien genannt:
- Verfassen einer E Mail mit einer Bestellung
- Zusammenstellung von Bewerbungsunterlagen (fiktiv) für ein Vorstellungsgespräch
- Internet-Recherche mit Auswahl eines selbstbestimmten Themas je nach persönlicher Interessenslage, z.B. Weiterbildungsangebote, Berufsbilder, Berufsinteressen, Verdienstmöglichkeiten, Stellenmarkt (regional-überregional) sowie Zusammenfassung und Ausdruck der gewonnenen Informationen.
An allen Stationen wird auf einen ansteigenden Schwierigkeitsgrad und damit verbundenen Trainingseffekt gesetzt.
Modellarbeitsplätze
Modellarbeitsplätze bieten eine einzigartige Möglichkeit zur Schulung ergonomischer Bewegungsabläufe unter arbeitsplatznahen und damit nahezu realen Bedingungen. Bewegungstherapeutisch begleitet können sie Bewältigungsstrategien für krankheitsbedingte Defizite optimieren. Durch eine hohe berufsnahe Anschaulichkeit können berufsassoziierte Bewegungsängste abgebaut werden und der Transfer in Alltagssituationen wird gefördert.
Arbeitserprobungen sind in realen gewerblichen Betrieben kurzfristig und für einen sehr begrenzten Zeitraum kaum zu erhalten, sodass dieses Angebot der Klinik einen sonst schwer abdeckbaren Bedarf bedient. Auch für den Bereich der Modellarbeitsplätze gilt das Angebot der regionalen Öffnung für Rehabilitanden aus benachbarten Kliniken und Reha-Einrichtungen in Rheinland-Pfalz (Reha-Kompetenzzentrum Bad Kreuznach, Mittelrhein-Klinik Bad Salzig) bei speziellen sozialmedizinischen Fragestellungen.
Folgende Modellarbeitsplätze können angeboten werden:
- Lager- / Logistikberufe inklusive Berufskraftfahrt
- Bau- und Bauausbauberufe: Maurer, Dachdecker, Innenausbau, Außengestaltung
- Garten- und Landschaftsbau
- Hauswirtschaft / Küche / Service / häusliche Pflege
- Maschinenbedienung, Fließbandarbeit
- Werkbankarbeitsplatz
- Büro / Verwaltung / Organisation
Die Modellarbeitsplätze werden für die MBOR-Rehabilitanden berufsspezifisch ausgewählt. Bereits beim Workparktraining wird das Arbeiten an diesen Stationen integriert. Vor allem Rehabilitanden mit Motivation zum Verbleib im bisherigen Beruf und Arbeitslose mit Motivation zur beruflichen Eingliederung zwecks Testung des Basisleistungsvermögens sind hierfür vorgesehen.
Ausstattung
Das sagt die Klinik:
Hilfreich bei der Implementierung:
● Kooperation mit dem Bildungsinstitut Wolters & Sohns: Zertifizierung im FCE-Verfahren “Arbeitstherapeutische Leistungsanalysen” ALa®, Erfahrungsaustausch, In-House-Schulungen
● jährliche arbeitsmedizinisch orientierte Betriebsbesuche in Rheinland-Pfalz
● regelmäßiger Austausch der ärztlichen und kaufmännischen Klinikleitungen im Reha-Kompetenzzentrum, teilweise gemeinsame Außendarstellung. Hierbei der Vorteil des Austauschs unterschiedlicher Fachdisziplinen und effizientem Ressourceneinsatz sowie „Best Practice Vergleiche“ bis hin zu der Möglichkeit wechselseitigen Angebots von Plätzen zur Arbeitserprobung für ausgewählte Rehabilitanden und Rehabilitandinnen
● Teilnahme an Fortbildungen der Deutschen Rentenversicherung
Barrieren und Lösungsansätze:
● Personal muss entsprechend geschult werden
● Räumlichkeiten mit entsprechender Ausstattung müssen geschaffen werden
● Teilweise gibt es Widerstände seitens der Rehabilitandinnen und Rehabilitanden: Hilfreich ist eine gezielte berufsbezogene Motivationsförderung